30. 12. 2006

Hochštapler roku Felix RR Krull

Hochštapler roku
Felix R.R. Krull
Hochstapler sind Personen, die mehr scheinen wollen als sie sind, die sich also fälschlicherweise einen höheren gesellschaftlichen Rang, eine bessere berufliche Position oder ein größeres Vermögen zulegen. „Stapeln“ entstammt dem Rotwelsch und bedeutet „betteln“. Die Silbe „hoch“ wiederum besagt, dass die Person sich als „vornehm“ ausgibt. Somit ist ein Hochstapler ein sich vornehm gebender Bettler. Geradezu klassisch war in dieser Beziehung das Verhalten des späteren Schriftstellers Karl May in den Jahren 1864-1870: Er gab sich als Augenarzt Dr. Heilig aus, als Seminarlehrer, als Mitglied der Geheimpolizei und als Neffe eines Pflanzungsbesitzers aus Martinique. In der mittelalterlichen Geschichte gibt es verschiedene Beispiele für falsche Herrscher. Ein bekanntes deutsches Beispiel ist Tile Kolup, der 1284 viele glauben machte, er sei der längst verstorbene Kaiser Friedrich II. König Rudolf von Habsburg ließ ihn am 7. Juli 1285 in Wetzlar verbrennen. Immer wieder machen heutzutage Hochstapler von sich reden, die ihre Umwelt über einen längeren Zeitraum zu täuschen vermögen, etwa wenn sie, ohne aufzufallen, als Ärzte oder andere Experten tätig sind oder als Partyschnorrer sich den Zugang zu Prominentenpartys erschleichen. Mundus vult decipi (Die Welt will betrogen werden) - unter diesem Motto schaffen es Betrüger immer wieder, die Leichtgläubigkeit und das Vertrauen ihrer Mitmenschen auszunutzen. Trotzdem genießen sie gewisse Sympathien, wenn sie als moderne Eulenspiegel auftreten, die Missstände aufdecken, die Geldgier ihrer Opfer entlarven oder wie Gert Postel, der als gelernter Postbote einen Oberarztposten in der Psychiatrie bekleiden konnte und für sich in Anspruch nimmt, die Rechtspolitik mit seinem Fall beeinflusst zu haben. Postel sagte in einem Interview: „Ich habe mich in der Psychiatrie als Hochstapler unter Hochstaplern gefühlt“. Strafrechtlich geahndet werden kann die Hochstapelei als Betrug, wenn ein Schaden entstanden ist, aber auch als Urkundenfälschung oder als unrechtmäßige Titelführung. Sieht man Hochstapler nicht als bloße Kriminelle, so verweist ihre Maskerade auf die Problematik der Identität und gesellschaftlicher Rollen.